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Was können Unternehmen von einer Frauenorganisation in Indien – Grassroots Woman – lernen?

Im Rahmen eines komplexen Veränderungs- und Entwicklungsprogramms lernen Teilnehmer auf einer Reise nach Pune in Indien eine ungewöhnliche Organisation kennen, die innerhalb von 20 Jahren scheinbar Unerreichbares auf die Beine gestellt hat. „Grassroots Women“ hat sich in einem patriarchischen System ohne Rechte, Mandate oder Autorisierung durch Fortbildung zu einer ernst genommenen Bewegung formiert und Ehemänner oder Dorfführer für ihr Anliegen gewonnen. Sehen Sie im Video, wie berührend und inspirierend für alle Teilnehmer die Reise war und welche erstaunlichen Erkenntnisse gewonnen werden konnten.

Ausgangssituation

Im Rahmen des NEO-Programmes ist ein Jahrgangsübergreifender Externer Impuls geplant, an dem die Teilnehmer die Möglichkeit haben, andere Welten, herausragende Menschen oder die Zukunft erleben können.

Erlebnisse und Intentionen

Der Besuch bei den Frauen im Dorf war für alle ein persönliches Erlebnis. Auf einer individuellen Erkundung des Dorfes konnten wir erste Eindrücke über die Lebensumstände in einem ländlichen Dorf in Indien sammeln. Wir begegneten offenen und neugierig Menschen, frohen, lachenden Kindern und hatten auch die Möglichkeit in die „Häuser“ der Dorfbewohner zu gehen. Nach einer Zeremonie für die NEO-Mitglieder, bei der der Dorfälteste für uns die traditionelle Kopfbedeckung band, wurden wir zu einem gemeinsamen Mittagessen in das Haus einer Dorfbewohnerin eingeladen und konnten in kleinen Runden die ersten Gespräche mit Mitgliedern des SSP women network führen und diese im Anschluss in 3 kleinen gemischten Gruppen vertiefen. Zum Schluss konnten wir noch eine Zucht von schwarzen Hühnern besichtigen, die sich dadurch auszeichneten, dass ihre Eier unter Gesundheitsaspekten eine besondere Zusammensetzung an Omega 3/Omega 6 Fettsäuren haben und es daher wenig Wettbewerber gibt („Blue Ocean Strategie-Ansatz“)

Die Ergebnisse aus dem Besuch bei den Frauen im Dorf konnten wir am nächsten Tag im SSP Office in Usmanabad mit ca. 25 Frauen diskutieren und vertiefen, die ihrerseits über 10.000 Dorffrauen führen (women leader) und mehr als 40 eigene Geschäfte (business leader).

Im Wesentlichen waren wir daran interessiert,

  • wie diese Frauen es schafften, Gehör und Anerkennung bei ihren Ehemännern und in der Dorfgemeinschaft zu finden, ohne dass deren Beziehungen zerstört wurden
  • wie die Frauen sich organisieren und kontinuierlich auch größere Probleme angehen
  • wie sich die Zusammenarbeit innerhalb eines Dorfes, dorf-übergreifend und mit SSP gestaltet – also die Frage von Alignment und Autonomie
  • wie die Organisation SSP dieses Netzwerk aufbaut, pflegt und unterstützt

Nach der Rückkehr nach Pune reflektierten wir über die Erkenntnisse der beiden ersten Tage und hatten die Gelegenheit, unsere Ergebniise mit einer Gründerin von SSP, Ms. Prema Gopalan, und einer Studentengruppe von der HEC in Paris auszutauschen und zu diskutieren. Gleichzeitig gab es die Gelegenheit, tags darauf die Ergebnisse der empirischen Feldstudie über die Wirksamkeit der Aktivitäten von SSP in den letzten Jahren kennenzulernen.

Am letzten Tag haben wir die Fabrik von KSPG in Pune besucht und die Ergebnisse der Indienreise sowie den aktuellen Projektstand der NEO-Projekte mit dem Management diskutiert und deren Perspektive zu den Themen eingeholt.

Erkenntnisse:

  • Es werden autonome Gruppen gebildet, die lebenslang zusammenbleiben und sich völlig vertrauen („we would die for each other“). In diesen Gruppen „spart“ jede Frau aus ihrem „Familienvermögen“ einen monatlichen Beitrag für ein gemeinsames Budget, das jeden Monat einem Projekt aus 4 Kategorien (Health, Education, Agriculture, Business) in einer Gruppenentscheidung zugeordnet wird – wir würden das heute „Sprints“ nennen.
  • Die Frauen „collaborieren“ mit allen anderen Gruppen und tauschen sich monatlich über ihre „Gruppenleader“ auf Dorfebene, vierteljährlich regional dorf-übergreifend und jährlich landesweit dorf-übergreifend aus (Alignment). Interessant war zu erfahren, dass diese Frauen trotz mehrfachem Nachfragen nicht in Konkurrenz zueinander gehen mit einer sehr plausiblen Begründung: „Ich habe das Wissen von jemand anderem bekommen – warum sollte ich es nicht weitergeben und unser Ziel ist es, das Leben für die Familien im ganzen Dorf zu verbessern – welchen Nutzen hat Konkurrenz“.
  • Die Frauen arbeiten sich tief in die Problemstellungen ein, die es zu bewältigen gilt und verstehen sehr genau, was sie machen (research, deep-dive, deep-listening, field studies, Grossgruppenkonferenzen, …).
  • Um Stakeholder zu gewinnen, muss man sie persönlich „in das Feld“ bringen, um emotionale Betroffenheit zu erzeugen. Dies gelingt am ehesten in einem doppelten Ansatz: Organisiere die Entwicklung von unten – über das Empowerment der Individuen für die Veränderung, ohne ihnen zu erklären, was und wie sie verändern sollen und gleichzeitig über Großgruppenveranstaltungen, auf die wichtige Stakeholder eingeladen sind, um sich von den Problemen, Lösungsansätzen und Schwierigkeiten bei der Umsetzung einen persönlichen Eindruck machen können und erste Entscheidungen herbeizuführen.
  • Der nächste „Traum“ von SSP ist die Digitalisierung der aktuell 5 WELI Zentren (Women Entrepreneural Leadership Institut) und in den nächsten Jahren soll die Anzahl auf 500 erhöht werden, um damit das Unterstützungssystem von SSP zu skalieren. Wir haben die Idee sofort aufgegriffen, um auszuloten, welchen Beitrag NEO bzw. RHA bei diesem Projekt leisten kann und erste Gespräche in 3 Fokus-Gruppen geführt: (1) was sind die Anforderungen an die Digitalisierung in einem WELI, (2) wie treibt die Digitalisierung die Vernetzung und „Collaboration“ und (3) wie treibt die Digitalisierung das Geschäft.

 

Diese Erkenntnisse lassen sich gut auf die Mission von NEO übertragen, um die Wirksamkeit, insbesondere im Sinne einer Kulturveränderung in der Organisation zu erhöhen. Der nächste Schritt dazu wäre die Nutzung der „Zukunftskonferenz“, die im NEO-Programm alle 3 Jahre geplant ist und ausgewählte Führungskräfte und Mitarbeiter der Organisation sowie externe Experten aus verschiedenen Disziplinen an einen Tisch bringt, um ein gemeinsames Bild über die Zukunft, die anstehenden Veränderungen und Umsetzungsschritte zu diskutieren.

 

Weißenhorn im Oktober 2017

Bodo Linke, Synchronize Consult